Im Gespräch mit ANDREAS JORNS

Andreas Jorns verfolge ich schon seit langer Zeit. Andreas dürfte den meisten durch seine Bilder oder seinem Magazin „aj“ bekannt sein. Inzwischen konnten wir uns auch auf der ein oder anderen Veranstaltung persönlich kennenlernen. Um so mehr freut es mich, dass Andreas sich bereit erklärt hat, mir ein paar Fragen zu beantworten.

Andreas, wie war dein Werdegang, denn du warst ja nicht immer Fotograf ?
Hast du den Schritt jemals bereut ?
Ich bin eigentlich gelernter Banker und habe 15 Jahre in dem Beruf gearbeitet. Anschliessend war ich 10 Jahre als Unternehmensberater selbstständig. Aufgrund einiger Zufälle, Umwege und schicksalhaften Begegnungen ergab sich vor einigen Jahren die Möglichkeit, die Fotografie zum Beruf zu machen.

Ich habe nur wenige Tage darüber nachgedacht und mich dann dafür entschieden. Das war weniger eine Kopfsache als ganz viel Bauchgefühl. Wenn man es rational durchdenkt, muss man von dieser Idee eigentlich Abstand nehmen (schließlich hatte ich einen sehr gut dotierten Job), aber ich habe den Schritt bis heute nicht bereut. Mein Leben hat sich um 180° gedreht und das ist rein positiv gemeint (wenn man davon absieht, dass ich früher mehr verdient habe – aber man kann nicht alles haben …).

Wo liegt dein fotografischer Schwerpunkt ?
Nach einiger Zeit des Ausprobierens war schnell klar: es gibt zwei Dinge, die ich wirklich gern fotografiere: Porträt und Akt – nach meinem Verständnis sind diese beiden Genres auch artverwandt. Alles andere habe zum Zwecke des Geldverdienens gemacht, aber ich bin froh, dass ich mich heute auf das konzentrieren kann, was ich gern mache. Das ist ein unglaublicher Luxus, den ich zu schätzen weiss.

Dein Motto ist „Black & White – only“ – warum schwarz/weiß ?
Puh, das ist eigentlich ein abendfüllendes Thema. Mein Motto war schon immer „auf’s Wesentliche reduziert“ – in der Porträt-, aber auch in der Aktfotografie. Keine Inszenierungen, keine Posen, kein Gedöns.

Die Entscheidung, nur in schwarzweiss zu fotografieren, unterstützt diesen Gedanken. „Reduce tot he max!“ – allein der Mensch und seine Emotionen zählen. Ich habe schon immer überwiegend schwarzweiss fotografiert, aber zu Beginn meiner Berufsfotografie aus naheliegenden Gründen auch den Wunsch nach Farbe akzeptiert. Das hat mich mit der Zeit aber sehr frustriert, da es nicht das ist, was ich eigentlich wollte, was ich eigentlich gesehen habe.

Daher habe ich in eines Nachts in einer spontanen Aktion meine Webseite umgebaut, meinen Claim „black and white only.“ kreiiert und fortan nie wieder in Farbe fotografiert.

Wie wichtig sind dir EMOTIONEN im Bild / beim Model ?
Ob uns ein Porträt anspricht oder nicht, entscheidet sich im Sekundenbruchteil. Und ich finde, dass das Bild – gerade bei der Bilderflut heutzutage – eine Stimmung beim Betrachter erzeugt. Dass es ihn „catcht“, wie man so schön neudeutsch sagt. Diese Stimmung erzeugt man nur selten durch einen akkuraten Bildaufbau, eine perfekt sitzende Bildschärfe – auch nicht einfach nur durch einen hübschen Menschen vor der Kamera (was ist schon „hübsch“? und ist nur „hübsch nicht irgendwie langweilig?).

Du erreichst das als Fotograf nur dadurch, dass Du es schaffst, die Emotionen während des Fotoshootings in das Bild zu transportieren. Echte (!) Emotionen sind alles in der Porträtfotografie. Der unverstellte Blick auf den authentischen Menschen – nicht der inszenierte Blick auf das Model!

Was ist dir wichtiger ? Emotionen oder das letzte Quantum Schärfe im Bild ?
Siehe oben. Es gibt nichts wichtigeres in der Porträtfotografie als echte (!) Emotionen. Und ausserdem: „Schärfe gibt’s beim Inder“ … !

Was ist dein innerer Antrieb zu fotografieren ?
Dieser innere Antrieb hat sich in den letzten Jahren etwas verschoben. Früher reichte es mir, „schöne Fotos“ zu machen. Begeisterung bei den von mir fotografierten Menschen zu erzeugen.

Den Menschen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, kann mich natürlich auch heute noch erfreuen, aber mein Antrieb ist zunehmend, relevante Bilder zu machen. Bilder, die auch den an sich unbeteiligten Menschen innehalten lassen. Bilder, die vielleicht auf mal aufwühlen. Die nicht immer gefällig sind. Die auch mal eine Geschichte erzählen. Etwas, das im Bereich der Porträt- und Aktfotografie nicht immer leicht ist, aber es ist einer der Gründe, warum ich mich zunehmend aus der Auftragsfotografie zurückziehe und dafür meine eigenen Projekte verfolge (schlussendlich will ja jeder Auftraggeber gefällige Fotos und da ist es schon problematisch, wenn ich vielleicht mal einen ganz anderen Blick auf diesen Menschen vor der Kamera habe).

Heute fotografiere ich zum größten Teil für meine Print- Publikationen – für meine Bildbände und für mein regelmäßig erscheinendes Magazin. Seitdem ich das tue, hat sich meine Fotografie verändert. Ich denke weniger in Einzelbildern, sondern in Bild-STRECKEN. In Serien. Damit hat man sehr viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten – kann viel mehr in Geschichten verpacken. Die Fotografie wird in meinen Augen relevanter.

Hast du eine deiner Fotografien vor Augen bei der du sagen würdest, Ja, das ist meine beste Aufnahme (und würdest die hier zeigen) ?
Es ist schwierig, seine eigenen Arbeiten zu bewerten oder gar eine Rangfolge festlegen zu wollen, aber wenn es eine Aufnahme gibt, die sehr exemplarisch für meine (Porträt)Fotografie ist, dann ist es sicher das Bild von Lani.

Wieviel Zeit investierst du im Schnitt für die Nachbearbeitung deiner Bilder am Computer ?
Im Durchschnitt max. 3 Minuten pro Bild.

Was macht für dich ein gutes Bild aus ?
Wenn es mich anspricht – es ist wirklich so einfach. Wenn es eine Stimmung transportiert. Ein Gefühl.

Wie wichtig ist dir das gedruckte Bild und warum ?
Offengestanden kann ich ein Bild erst so richtig ernst nehmen, wenn ich es gedruckt sehe. Für mich gehört das haptische Gefühl zwingend dazu – das (ausschließliche) Betrachten von Bildern am Computer (schlimmer noch: am Smartphone) ist im Prinzip der Kern des Übels in der Fotografie.

Alles ist so flüchtig, alles wird so beliebig und austauschbar. Die durchschnittliche Betrachtungszeit beim Durchscrollen der Timeline bei Instagram liegt bei 0,3 Sekunden (und da ist das achtlos vergebene Like schon inkludiert). WAS genau will man denn in der Zeit betrachtet haben? WIE genau will man sich denn mit dem Bild auseinandergesetzt haben?

Natürlich verdient ein Großteil der auf Instagram gezeigten Bilder auch gar nicht mehr Aufmerksamkeit – die Bilder werden heutzutage zumeist genau für diesen „Quickie-Konsum“ produziert (zumindest beschleicht mich dieses Gefühl), aber für meine eigenen Bilder möchte ich das nicht. Und grundsätzlich nicht für Bilder von Künstlern, die ich schätze. Weswegen ich mittlerweile eine stattliche Anzahl von Bildbänden besitze. Weshalb ich meine besten Bilder grundsätzlich printe – oder in meinen Bildbänden und Magazinen veröffentliche.

Es wäre spannend zu wissen, wer deine fotografischen Vorbilder sind.
Peter Lindbergh, Jim Rakete, Anton Corbijn.

Was ist dein Lieblingsequipment ?
50mm Objektiv

Was darf in deiner Kameratasche auf keinen Fall fehlen ?
Kleiner Bluetooth-Lautsprecher (es gibt so gut wie kein Fotoshooting bei mir ohne Musik).

Wie oft bis du im Netz unterwegs und wie lange ?
Zu oft (quasi täglich) und im Durchschnitt sicher 1-2 Stunden. Vieles davon ist notwendig, manches dient einfach nur der Zerstreuung (und dem Sammeln von Inspirationen für die nächsten Blog-Beiträge …).

Welches ist deine liebste Webseite / Buch / Blog o.ä. über Fotografie und warum ?
Aus oben beschriebenen Gründen muss es ein Buch sein und ich entscheide mich für „Images of women“ von Peter Lindbergh. Da ist eigentlich alles drin, was man als (Porträt-)Fotograf wissen muss. Worauf es ankommt in der Porträt-Fotografie. Mein Exemplar fällt schon fast auseinander – so oft hatte ich es in der Hand. Sehr inspirierend.

Du bist ja auch Autor einiger Fachbücher. Mit welchem Themen befassen sich die Bücher und wieviel Zeit hast du fürs Bücherschreiben investiert ? Ist da in naher Zukunft wieder etwas geplant ?
Mein erstes Buch war quasi der Grund für den Einstieg in die Berufsfotografie. Es handelte von der Blitzfotografie mit Nikon-Blitzgeräten.

Mein zweites Buch thematisierte noch mal die Blitzfotografie (markenunabhängig) und erschien in 5 Ländern. Das ist aber auch schon wieder 5 Jahre her und heute blitze ich nur noch sehr selten bei meinen Bildern.

Im Dezember 2016 erschien mein Buch über Akt-Fotografie „Sensual Nude“ im dpunkt-Verlag. Der Verlag hat mir alle Freiheiten gelassen und so konnte ich tatsächlich über das schreiben, was ich in der Praxis tue (sinnliche Aktfotografie in schwarzweiss) – anders würde ich heute auch kein Buch mehr schreiben wollen. Der Verlag hätte gern, dass ich ein weiteres Buch schreibe (über die Porträtfotografie), aber da das Ganze immer sehr viel Zeit in Anspruch nimmt (4-6 Monate, in denen man nur wenig zu anderen Dingen kommt), schiebe ich die Entscheidung gerade vor mir her. Im nächsten Jahr erscheint mein dritter Bildband und da habe ich momentan keinen Kopf für ein anderes Großprojekt.,

Seit kurzem gibt es“ aj.. ein fine-art-magazin“.. was steckt dahinter ?
Für mich war von Beginn an klar, dass ich meine Erfüllung als Fotograf darin sehe, Bildbände von meinen Arbeiten zu machen und da dies jedes Mal kostenintensive Großprojekte sind und auch aus anderen Gründen nicht allzu inflationär in den Markt gedrückt werden sollten, bin ich auf die Idee gekommen, die Zeit zwischen den Bildbänden mit einem regelmäßig erscheinenden (2x pro Jahr) Fine-Art-Magazin zu füllen.

Schließlich höre ich nach einem Bildband ja nicht auf zu fotografieren und nur für die Online-Publikation zu produzieren, kam mir nicht in den Sinn (aus Gründen, die ich oben beschrieben habe). Es musste aber etwas Besonderes sein – und nicht nur ein schnödes Hochglanzmagazin, das zu meinen Arbeiten eh nicht passen würde. Nach vielen Recherchen bin ich dann bzgl. Papier und Aufmachung fündig geworden und die Druckerei Siepmann in Hamburg (die ich aufgrund eines Tipps meines Kollegen Patrick Ludolph gefunden habe) zaubert mir jetzt zwei mal im Jahr meine Bilder auf extrem hochwertiges Naturpapier.

Jorns

Was ist der Hintergrund zu deinem „Projekt“ mit Patrick Ludolph ?
Ich weiß gar nicht, ob man das schon „Projekt“ nennen kann … Patrick und ich haben uns im letzten Jahr kennengelernt – ich bin durch sein Magazin auf ihn aufmerksam geworden. Wir haben uns dann mal auf einen Kaffee bei ihm getroffen, ein wenig geschnackt und festgestellt, dass wir beide irgendwie auf einer Wellenlänge liegen, was die Fotografie im Allgemeinen und Printpublikationen im Speziellen angeht.

Er hat es jatatsächlich geschafft, mich im November letztes Jahres auf seine Couch „zu ziehen“ und mich vor Kameras zu interviewen (was lange Zeit nicht zu meinen Lieblingsdisziplinen gehörte – und das ist schon vorsichtig formuliert). Man kann also schon sagen, dass wir gut miteinander „können“. Und so kam es zu der Idee, dass man eigentlich mal einen wechselseitigen Besuch in unseren Studios/Ateliers mit Publikum machen können.

Jeder erzählt auf „fremden Terrain“ von seinen Printpublikationen und der Hausherr moderiert das Ganze. Alles endet dann in einer losen Diskussionsrunde, wo jeder fragen kann, was er will – und zum Schluss stehen wir dann alle bis Mitternacht mit ein paar Bierchen und quatschen über Gott und die Welt. Alles komplett offline – d.h. ohne Videoaufzeichnung, keine Live-Schalte nach Facebook oder instagram. Wer nicht live dabei war, bekommt eben nichts mit. Kleines Publikum (40-50 Menschen) und dadurch intime Atmosphäre. Wir mögen beide so etwas sehr und werden Vergleichbares sicher in der Zukunft hin und wieder anbieten.

Was sind deine Ziele für die nächsten –sagen wir 3- Jahre?
Das wichtigste Ziel ist die Veröffentlichung meines dritten Bildbands, der im Juli 2018 erscheinen soll. Es wird wieder eine Monographie und arbeite bereits seit 2 Jahren mit Katharina daran. Noch keines meiner bisherigen Projekte war so zeit- und kostenintensiv und ich habe auch aus diesen Gründen sehr hohe Erwartungen an das Ergebnis. Die Veröffentlichung wird diesmal auch nicht nur mit einer Releaseparty in meinem Atelier gefeiert – geplant ist eine flankierende Ausstellung (voraussichtlich in Köln) und eine daran anschließende Präsentationstournee, die uns in 5-6 Städte in Deutschland führen wird.

Eine große Sache – so groß, dass ich über alles, was danach kommt, bisher keinen Gedanken verschwenden kann/will. Wünschen tue ich mir einen ausgedehnten Urlaub in 2019 mit der besten Ehefrau von allen. Am Liebsten in eine Region ohne Mobilfunknetz und ohne Wlan …

Gibt es zum Schluss noch einen Tipp, den du gerne an andere Fotografen bzw. Newcomer weitergeben würdest ?
Seid mit Leidenschaft bei der Sache! Fotografiert nur das, was Euch wirklich (!) interessiert! Fotografiert für EUCH – nicht für Facebook-Likes! HABT SPASS!

Andreas, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei deinen weiteren Vorhaben !

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7 Idee über “Im Gespräch mit ANDREAS JORNS

  1. Rolf sagt:

    Andreas habe ich auch schon lange verfolgt und bin von seinen Arbeiten – insbesondere in S/W – sehr beeindruckt.
    Schön, dass man hier mal mehr über den Mensch Andreas Jörns erfahren konnte…

    Danke an Andreas für seine Einblicke und Frank für die Mühe…

    HG
    Rolf

    • Frank Upmeier sagt:

      .. und live ist Andreas genauso sympathisch und unkompliziert.. vielen Dank für deinen Kommentar, Rolf !

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